Donnerstag, 15. Juni 2017

eye poetry #05, neruda


andreas ausgangsthema für die "eye poetry" war dieses mal ein gedicht von pablo neruda, das er für seine dritte frau geschrieben hat.


Die Königin

Ich hab dich zur Königin ernannt.
Größere gibt es, größer als du.
Reinere gibt es, reiner als du.
Schönere gibt es, schöner als du.

Doch du bist die Königin.

Wenn du durch die Straßen gehst,
erkennt dich keiner.
Niemand sieht deine Krone aus Kristall, niemand schaut
den Teppich aus rotem Gold,
den jeder Schritt von dir betritt,
den Teppich, der gar nicht da ist.

Und wenn du erscheinst,
rauschen alle Flüsse
in meinem Körper auf, rütteln
die Glocken am Himmel,
und ein Hymnus erfüllt die Welt.

Nur du und ich,
nur du und ich,
meine Liebe,
hören ihn tönen.

Pablo Neruda

ohne zweifel, neruda ist einer der ganz großen dichter und politischen kämpfer gegen faschismus und unmenschlichkeit. aber als ich das gedicht las, war mir ein wenig unwohl, hatte ich doch irgendwann mal einen artikel zu "neruda und die frauen" gelesen. leider habe ich den nicht wiedergefunden. dafür aber andere im netz (hier und hier) , die neruda - was sein verhältnis zu frauen angeht - nicht gerade ein denkmal setzen. so bin ich heute ein wenig ketzerisch unterwegs und werde mir wohl ein wenig schelte von nerudaliebhaberInnen einfangen. das als hintergrund zu meiner interpretation des gedichtes.

um es mal ein wenig salopp zu formulieren sind mir nämlich seine (sprachlich schönen!) liebesschwüre nach lesen der artikel ziemlich auf den keks gegangen. so hab ich mir einfach einen begriff herausgesucht, den ich umsetzen wollte: den "teppich aus rotem gold". gedacht habe ich dabei an orientalische basare, in denen antike geknüpfte seidenteppiche in feinsten farbschattierungen ausliegen, aber auch grobe gewebte läufer für den häuslichen alltag.
zwei kleine stoffcollagen sind entstanden. inspiriert wurde ich durch die quilts von cogiku und die japanischen boros , bei denen aus alten stofffetzen neues entsteht.







meine flickwerke sollen - wenn noch mehr entstehen - zu einem größeren quilt zusammengesetzt und vielleicht einmal zu einer tasche werden.

alle "eye poetry" beiträge für juni findet ihr in andreas blog "holunder"!

meine bisherigen werke zur eye-poetry könnt ihr euch hier noch einmal ansehen!

16 Kommentare:

Astridka hat gesagt…

Der rote Teppich - eine gute Wendung, wenn einem zu viel anderes im Kopf quer schießt! Und inzwischen ist die stoffliche Verarbeitung bei dir zur Eye Poetry ja eine konsequente Linie, da kann wirklich was ganz Eigenes daraus werden.-
Mir ist übrigens die Beschäftigung mit Picasso vermiest, seit ich seine Einstellungen zu Frauen kenne. Die menschliche Seite bewundernswerter Personen ist manchmal schwierig, sagen wir es mal so. Das kenne ich ja auch aus eigener Erfahrung....
Einen schönen Tag! Will gleich einen Ausflug versuchen...
LG
Astrid

Maren hat gesagt…

Da muss ich lächeln. So ging es mir mit Rilkes Gedichten nachdem ich "Rilke und die Frauen" gelesen hatte. Findet sich ja nicht unbedingt bei wenigen Künstlern. Aber Dein Beitrag ist wunderschön. Das ist dann wohl der "Boden der Tatsachen" oder der "Teppich unter den nicht alles gekehrt werden darf". Lg und Danke Maren

Wolfgang Nießen hat gesagt…

Liebe Mano,
mir gefällt das Gedicht sehr gut, allerdings unter dem Vorbehalt, dass es ehrlich gemeint ist.
Nach dem, was ich schon aus Deinem Post erlesen kann, war es das wohl nicht. Schade.
Deine roten Teppiche gefallen mir sehr gut, auch weil sie so wohltuend bunt sind.
Ich wünsche Dir einen schönen Feiertag.

Viele liebe Grüße
Wolfgang

Die Zitronenfalterin hat gesagt…

Wie zauberhaft Deine Umsetzung ist! Diese Art Teppich, so liebevoll und indivudell zusammengestellt, ersetzt doch schnödes reales Gold! Astrid hat recht, da zieht sich ein roter Faden durch Deine Umsetzungen.

Ja, die Persönlichkeiten der Dichter und deren reale Leben laufen nicht immer auf dem selben Niveau mit den entstandenen Werken. Das ist (leider) bei vielen Künstlern so. Das hat mir im Literaturstudium anfangs auch so manches vergällt. Ich hab mir dann aber zugestanden, das Kunstwerk auch mal getrennt vom Künstler sehen zu dürfen (sonst hätte ich den Großteil männlicher Dichter in den Hades schicken müssen... ;-). Denn wie Du siehst, kann es den Leser oder Betrachter so viel geben.
Liebe Grüße
Andrea

Nicole/Frau Frieda hat gesagt…

Ich nehme das Gedicht wie es ist, liebe Mano. Ein Liebesgedicht. Wie viele große Meister haben "gelogen"?! Wenn ich da an Rilke oder Piccaso denke.. tss! Bei vielen großen Männer ist doch einiges im Argen. Guck Dir Luther an. Tja.. aber nun zu Deiner Umsetzung. Ich finde Deine Idee, einen Quilt oder eine Tasche aus Deinen Werken zu machen, einfach wunderschön! Und das heutige Rot bezaubernd. Herzlichst, Nicole

merlecolibri hat gesagt…

deine "boros" so fein gemacht : vieilleicht ein "tableau" davon ... liebe diese art stoffe zu zeigen und das gedicht würde ich gerne in der muttersprache von pablo neruda lesen * in franz. übersetzt ist ein bischen anders wie im deutsche. jedenfalls ist dein "eye poetry" sehr poétique !
liebe grûsse

verfuchstundzugenäht hat gesagt…

Mir geht es immer weider so mit Kunstwerken. Kenn ich den Künstler dahinter zu gut, schwingt meine Meinung über ihn automatisch mit in der Betrachtung und Interpretation. Ich finde das ist ganz normal und total in Ordnung.
Mehr von den Fleckerln wäre jedenfalls schön.

Helmi hat gesagt…

Beautiful!

Lucia hat gesagt…

Liebe Mano,
Deine Auseinandersetzung mit Neruda und diesem Gedicht mag ich. Wobei ich als selbst schreibender Mensch denke, das Gedicht fängt die Wahrheit eines Momentes ein. Und wieder denke ich, ich sollte endlich auch einmal bei der Eye poetry dabei sein.
Herzliche Grüße von Lucia

froebelsternchen hat gesagt…

Zwei herrliche Stoffcollagen sind da entstanden! Wunderschön!
Sei lieb gegrüßt von
Susi

Frau Zuckerrübchen hat gesagt…

Deine Stoffcollagen gefallen mir sehr gut, besonders die erste. Ich habe mir gestern in der Bibliothek ein Buch über das Gestalten von textilen Büchern angesehen. In so ein Buch würden deine Collagen auch richtig gut passen.
Ich hatte schon oft den Eindruck, gerade bei männlichen Künstlern, dass die schönen Worte mit der gelebten Wirklichkeit nicht wirklich viel zu tun habe. Aber das macht die Worte ja nicht weniger schön, im Moment des Schreibens wurden sie wahrscheinlich auch so gefühlt.
LG Jennifer

frau nahtlust hat gesagt…

Einfach bezaubernd, liebe Mano! Ich hatte es ja auf Instagram schon kurz gesagt: richtig schön! Ich finde die Idee super, deine Collagen nachher zusammenzusetzen. So ergibt sich auch hier ein Gesamtes von einzelnen unabhängigen Dingen. Und doch ist da ein roter Faden - wie dein roter Teppich :-)
Tolle Umsetzung! LG. Susanne

Pia hat gesagt…

Ich finde deine Umsetzung sehr gelungen. Mit groben Stichen die Stoffe aufgenäht und damit das unerfreuliche des Dichters zu einem schönen Werk gemacht. Die Idee mit einer Tasche finde ich gut.
Auch ich habe das Gedicht ganz persönlich verarbeitet.
L G Pia

jahreszeitenbriefe hat gesagt…

Da hast du ja sowas von toll, farbenreich und wieder so schön textil die Kurve gekriegt... Tja, berühmte Männer und die Frauen, oder bewundernswerte Männer und die Frauen... Auch ich habe mich fürs Trennen entschieden, sonst würde ich manches nicht mehr lesen, hören, anschauen wollen... Aber Kunstwerke verselbständigen sich eben auch... (Gerade denke ich daran: Das wunderbare Wort "Ob in einem Land Unkraut wächst, hat mit der Sprache seiner Bewohner zu tun", stammt von einem, der im Dritten Reich - vorsichtig ausgedrückt - zumindest Mitläufer war... Aber mit seinem Wort hat er Recht. Unkraut gibt es in keiner Sprache sonst..., trotzdem kann ich es nicht guten Gewissens zitieren... Diese Verflechtung toller Künstler mit dem System zu tolerieren fällt mir noch schwerer als die Frauengeschichten..., war ich doch Jahrzehnte lang mit solch einem den verschiedenen Weibern zugetanen Dichter befreundet... Ich konnte es aushalten, seine Frau auch, denn er war ein überaus liebenswürdiger Mensch, der sein "Fehlen" auch humorvoll und leise eingestand, doch sein freies Denken und Reden und Dichten wollte und will ich nicht missen, ein paar Jahre lang ruht er nun schon im Sand. Lieben Gruß Ghislana

jahreszeitenbriefe hat gesagt…

Versuch Nr. 2. Nun hatte ich einen der längsten Kommentare ever geschrieben, aber er ist nicht angekommen... Vielleicht war er zu privat ;-)... Also nur kurz: Künstlermenschen und ihr Werk sind selten identisch. Deine textile Kurve dich aus der Affäre zu ziehen ist dir bestens gelungen!!! Und dazu war gerade Neruda nötig. Faszinierend, oder? Alles andere später, privat... Lieben Gruß Ghislana

jahreszeitenbriefe hat gesagt…

Ach herrje, nun kriege ich es mit..., die Kommentare gehen nicht mehr sofort online... Wer lesen kann... ;-)

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